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06.08.2018 Anna-Lena Stich bei den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften in Nürnberg
Ein Traum wird wahr!

von Anna-Lena: Es war mein großes Ziel, dieses Jahr bei den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften der Aktiven in Nürnberg über 3000m Hindernis an der Startlinie zu stehen. Viele von euch werden sich wahrscheinlich fragen, warum genau 3000m Hindernis. Die Antwort ist ganz einfach: Ich bin mit den Hürden/ Hindernissen groß geworden. Im Schüleralter begeisterte mich der Hürdenlauf und später dazu der Hindernislauf, der mittlerweile zu meiner Leidenschaft geworden ist.

Bei meinen ersten Deutschen Meisterschaften 2010 in Ulm startete ich ebenfalls schon über 1500m Hindernis und genau das gleiche wollte ich bei meiner ersten Deutschen Meisterschaft der Aktiven auch erreichen. Diesmal zwar über die doppelte Distanz, aber durch die vorangegangenen Trainingsjahre sollte das kein Problem sein. Die Vorbereitungen für diese Saison verliefen nach Plan und auch die ersten Rennen zeigten, dass die Qualifikationsnorm von 11:05 min zu schaffen ist.

Da deutschlandweit 3.000m Hindernisrennen Mangelware sind und ich vor der Süddeutschen Meisterschaft in Regensburg vorab schon einen Qualifikationsversuch starten wollte, entschieden Papa und ich nach Karlsruhe zu fahren. Dort fand im Rahmen der örtlichen Laufnacht ein international besetztes Hindernisrennen statt. Erfreulicherweise ist konnte ich auf Anhieb die geforderte Norm von 11:05 mit einer Zeit von 10:53min knacken und die Planungen und Vorbereitungen für Nürnberg konnten fortgesetzt werden.

Auf dem Plan standen noch die Süddeutschen Hindernismeisterschaften, die Süddeutschen Meisterschaften über 5000m und die Bayerischen Meisterschaften über 1500m und 800m bevor es nach Nürnberg zur Deutschen Meisterschaft ging. Auch diese Wettkämpfe verliefen sehr gut und sorgten sogar für eine Überraschung. Mit einem 3. Platz bei den Süddeutschen Meisterschaften und einer Zeit von 17:57min habe ich eigentlich selbst nicht damit gerechnet. Aber irgendwie passte die Vorbereitung perfekt.

Mit der Qualifikation für die Deutschen Meisterschaften in der Tasche, war die Motivation in jeder Trainingseinheit natürlich noch größer und ich konnte es kaum erwarten vor solch einer imposanten Kulisse laufen zu dürfen. Als es nun endlich soweit war und wir am Freitag Abend mit dem Wohnmobil nach Nürnberg anreisten, stieg die Vorfreude, die Nervosität und die Anspannung von Minute zu Minute. Am Samstag Vormittag holten wir die Startunterlagen ab und spätestens hier wurde mir bewusst, dass es sich um kein "gewöhnliches Rennen", sondern um etwas wirklich Großes handelt.

Im Kuvert waren gleich drei Startnummern, die alle mit Namen und Startnummer versehen waren, die Stellplatzkarte und zwei Akkreditierungen. Zwei Startnummern sind bei Deutschen Meisterschaften nicht ungewöhnlich. Doch eine dritte Startnummer für den Rucksack war auch für mich neu und zeigte mir wieder die Professionalität und den Stellenwert dieser Meisterschaft. Als ich nach ein paar Schwierigkeiten die Startnummer am Rucksack befestigt hatte und anschließend die Stellplatzkarte abgab, ging es das erste Mal ins Stadion zum Zuschauen und Anfeuern. Es war beeindruckend: Das Stadion wirkt riesig, die Athleten winzig, alles ist perfekt organisiert und die zahlreichen Zuschauer im Stadion sorgen für eine mitreißende Stimmung. Mit dem Gedanken im Hinterkopf morgen selbst einer der "kleinen Athleten" zu sein und dort unten zu stehen und zu laufen, ließ mein Herz schneller schlagen und die Nervosität steigen.

Nachdem ich die beeindruckende Atmosphäre als Zuschauer miterlebt hatte, begann meine mentale Rennvorbereitung. Wider Erwarten schlief ich sehr gut, wachte jedoch bereits mit einem Kribbeln im Bauch auf. Zur Sicherheit spulte ich meine gewohnte Routine ab, wie ich sie schon bei den Vorbereitungsrennen durchgeführt hatte. So machte ich, wie gewohnt, meinen morgendlichen Lauf als Auftakt und versuchte dann bis zum Wettkampf ruhig und locker zu bleiben. Jedoch wollte ich unbedingt nochmal ins Stadion, um meine "kleinen Fans" begrüßen zu können. Meine Kinder-/Jugendtrainingsgruppe und ein paar Freunde sind extra zum Anfeuern nach Nürnberg gekommen. Ich verbrachte noch ein bisschen Zeit bei ihnen bevor es in die finale Vorbereitungsphase ging und der Puls bereits ordentlich anstieg.

Papa (Trainer) und ich verabschiedeten uns Richtung Aufwärmplatz und ich versuchte, alles wie immer zu machen und ruhig zu bleiben. Einlaufen Gymnastik, Laufschule und Hürdenüberquerungen alles wie immer. Doch dann war der Aufruf zum Call-Room und von nun an war alles anders. Alle 22 Starterinnen unter ihnen Gesa Krause, Antje Möldner-Schmidt und Jana Sussmann, wurden aufgerufen und ein Offizieller führte uns vom Aufwärmplatz in die Katakomben des Stadions, wo sich der Call-Room befand. Hier wurden die Startnummern und die Spikes kontrolliert, Klebe-Nummern verteilt und wir mussten warten. Das Warten war das Schlimmste. Ich war einfach so aufgeregt und mein Herz schlug immer schneller und schneller. Nun war es endlich soweit und wir wurden ins Stadion geführt. Es war beeindruckend: Tausende von Zuschauern in einer imposanten Arena. Ich konnte es noch immer nicht wirklich glauben, dass ich es geschafft habe, meinen großen Traum zu erfüllen.

Beim Blick in die Menschenmenge habe ich sofort meine Eltern, Freunde und meine "kleinen Athleten" erkannt. Sie haben mir ein Plakat gebastelt mit der bunten Aufschrift: "Viel Glück, Anna-Lena". Ich war sehr gerührt, doch für zu viele Gefühle war keine Zeit. Wir wurden im Gänsemarsch zur Startlinie geführt, aufgestellt und dann war es auch schon soweit. Auf die Plätze, fertig, "Peng". 22 Läuferinnen starteten auf 7 1/2 Stadionrunden gespickt mit zahlreichen Hindernissen. Da ich bereits im Vorfeld wusste, dass vorne vermutlich ein sehr hohes Tempo angeschlagen wird, reihte ich mich eher im hinteren Drittel ein. Doch beim ersten Hindernis war das Feld noch sehr eng zusammen und es kam zu einigen Rangeleien. Ich schlug mit voller Wucht gegen den Hindernisbalken, sodass ich mir kurz nicht sicher war, ob ich das Rennen überhaupt beenden kann. Doch aufgeben war für mich keine Option. Ich habe versucht, die Schmerzen zu unterdrücken und die Stimmung und das Adrenalin zu nutzen, mich durchzukämpfen und einfach weiter zu laufen. Ich habe immer wieder Mama, Papa und meine Freunde aus der Menschenmenge heraus gehört. Das hat mich besonders motiviert, weiterzulaufen und nicht aufzugeben. Ich wollte sie nicht enttäuschen und wollte meinen "kleinen Athleten" zeigen, dass es sich lohnt zu kämpfen. Das Rennen verging wie im Flug. Als ich das erste Mal auf die Rundenanzeige schaute, standen dort eine 3. Also nur noch 3 Runden. Ab diesem Zeitpunkt war ich mir sicher, dass ich das Rennen zu Ende bringen werde. Ich gab nochmals alles und erreichte am Ende einen 17. Platz, mit dem ich sehr zufrieden war. Im Gegensatz zur Startliste habe ich mich um 2 Plätze verbessert und bin trotz der Verletzung ins Ziel gekommen.

Im Ziel war ich wirklich überglücklich und konnte es noch immer nicht wirklich glauben, dass mein Traum wahr geworden ist. Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich auf dem Weg dorthin unterstützt haben, die viele Kilometer mit mir gelaufen sind, die überall mit mir hingefahren sind, die mich angefeuert haben und die immer da waren, wenn man sie gebraucht hat. Vielen Dank! Doch was wären Sportler ohne Ziele? - Nichts! Deswegen ist mein großes Ziel für nächstes Jahr, wieder bei den Deutschen Meisterschaften an der Startlinie zu stehen. Dann aber nicht in Nürnberg, sondern im Olympiastadion in Berlin! Natürlich auf meiner Paradedisziplin 3.000m Hindernis.

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